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Tom Daut über den Heiligen Geist und die Verlags-Torwächter

Heute habe ich einen ganz besonderen Gast bei mir: Tom Daut, der mir vor allem durch seine Präsenz auf diversen (Phantastik-) Veranstaltungen aufgefallen ist. Auf der Nordcon in Hamburg konnte ich ihn dann endlich persönlich kennen lernen und habe es mir nicht nehmen lassen, mir sein einzigartiges Werk "Anno Salvatio 423" vorstellen zu lassen und ihn um ein Interview zu bitten. Heraus kamen interessante Antworten über Torwächter und den Heiligen Geist ...
Buchtitel
Anno Salvatio 423 – Der gefallene Prophet

Genre/Zielgruppe
Science-Fiction-Fantasy-Dystopie/alle Phantastik-Fans ab 16, insbesondere zielt der Zyklus auf die schwarze Szene und Rollenspieler ab.

Deine Geschichte in wenigen Sätzen
Seit 423 Jahren regiert Papst Innozenz XIV. den totalitären Gottesstaat Das Gelobte Land. Seine Engel und die übersinnlich begabte Priesterschaft sorgen von den finsteren Straßencanyons bis in die höchsten Kathedralentürme für die Aufrechterhaltung der Neuen Zwölf Gebote. Dafür steht ihnen der Heiligen Geist, die übersinnliche Kraft Gottes, zur Verfügung. Doch eines Tages werden bei einem Priester, der verbotene Talente im Heiligen Geist besitzt, erste Zweifel an der Herrschaft des Papstes wach und er trifft auf den gefährlichen gefallenen Propheten.

Was ist das Besondere an Deinem Buch? Warum sollten die Leser gerade Dein Buch kaufen?
Ich hoffe einfach, dass der Roman, wenn er in den Ansätzen auch klischeehaft wirken mag, schlussendlich doch eine ungewöhnliche Geschichte transportiert. Mir erscheint sowohl die Genremixtur aus Fantasy- und SF-Elementen in dieser Form als auch der klerikale Hintergrund noch nicht so abgegriffen wie High Fantasy à la Tolkien, die klassische Space Opera oder die abebbende Vampirwelle.
Dazu kommt, dass sich kaum eine Geschichte so konsequent der christlichen Mythologie bedient wie der ANNO-SALVATIO-423-Zyklus. Im Horror mag das häufiger vorkommen, doch in der SF oder bei Fantasy ist das doch eher selten. Wer also „mal was Neues“ sucht, liegt mit der ANNO-Serie genau richtig.

Warum hast Du Dir gerade unseren christlichen Glauben vorgenommen und bist Du in der Richtung „vorbelastet“?
Obwohl meine Eltern keine wirklich praktizierenden Katholiken waren, habe ich beinah alles hinter mir, was sich ein heranwachsender katholischer Christ als Rüstzeug einfangen kann. Ich bin getauft, habe Religions- und Kommunionsunterricht besucht, habe das Sakrament der Erstkommunion erfahren, war in der Kolpingjugend organisiert und sogar einige Jahre Messdiener. Am Schluss bin ich auch gefirmt worden. Hat mich das abgeschreckt? Wahrscheinlich. Jedenfalls führte mein Weg von da an konsequent vom Glauben weg. Heute bin ich konfessionslos und glaube nicht mehr an das Märchen von höheren Mächten, sondern an die Selbstverantwortung des Individuums.
Natürlich spielt meine Abneigung gegen Ideologien beim Schreiben eine grundlegende Rolle. Sie ist praktisch meine Motivation für solche Geschichten wie ANNO SALAVTIO 423. Allerdings bin ich auch ein kleiner Finsterästhet und fand ein Setting, in dem die Kirche einen Staat knechtet, der praktisch nur aus düsteren Megastädten besteht, sehr reizvoll. Darüber hinaus gefiel mir die Idee, das Christentum mit Magie zu verbinden, ohne dass sich dahinter andere kulturelle Einflüsse verstecken.

Hast Du eine Lieblingsstelle in Deinem Buch?
Hui. Da es sich bei DER GEFALLENE PROPHET um den Auftakt einer fünfbändigen Reihe handelt und ich mein Pulver zu Anfang nicht verschießen wollte, kommen die Lieblingsstellen der Geschichte erst noch. Es gibt im ersten Roman eine Sequenz, in der der Titelgeber aus seiner Heimatstadt vor der Templerarmee fliehen muss. Die trage ich bei Lesungen gerne vor. Sie enthält Action, deutet einige Mysterien an, denen in der Reihe noch nachgegangen wird, und nicht zuletzt weist sie auch auf den fragwürdigen Charakter des Propheten hin. Obwohl es auch Abschnitte in der Geschichte gibt, die mehr in die Tiefe gehen und mir aus diesem Grund sehr gefallen, würde ich die Flucht als meine Lieblingsstelle bezeichnen.
Foto: Harald Melcher

Erzählst Du uns etwas mehr über Dich?
Eigentlich wisst ihr ja jetzt schon eine Menge über mich. Was gibt es noch zu ergänzen?
Ich wohne mit meiner Freundin und der autorenobligatorischen Katze zusammen im waldigen Sauerland. Dort schreibe ich in Vollbeschäftigung. Auch wenn mich das noch nicht ernähren kann, möchte ich nichts anderes mehr machen und ich habe das große Glück, dass meine Freundin diesen Wahnsinn in jeder Form unterstützt.
Sobald ich mich nicht gerade im Arbeitszimmer über die Tastatur des Laptops beuge, lese ich auf irgendeiner Con in Deutschland.
In meiner Freizeit lese ich (leise und auf der Couch), hänge im Kino rum oder konsumiere Blu rays. Neben der Phantastik ist Musik meine große Leidenschaft. Selber völlig unmusikalisch, höre ich so oft und so lange ich kann voller Faszination Songwriter-Rock, Blues und Pop der 80er.
Erwähnenswert wäre vielleicht noch, dass für mich und meine Romane gerade ein Verlagswechsel ansteht. Zurzeit ziert das Cover von DER GEFALLENE PROPHET und dessen Prequel DIE SINISTRA noch der Schriftzug OLDIGOR, aber der OLDIGOR-Verlag vertreibt meine Romane aktuell nicht mehr und ab Oktober wird sich ein anderer Verlag der Sache annehmen.

Du gibst viele Lesungen und fährst auf (Groß-) Veranstaltungen in ganz Deutschland. Warum machst Du das? Was genau „bringt“ es Dir? Viele Autoren sind ja der Meinung, Lesungen werden überbewertet, da oftmals schlecht besucht, ergo sehen sie kein Interesse seitens der Leser, verkaufen nur wenige Bücher und und und. Siehst Du das auch so?
Erstmal bringt es mir eine Menge Spaß. Ich stecke Mühe in eine Lesung, um die Begeisterung für meine eigenen Geschichten zu leben. Dabei trage ich mit verstellter Stimme vor und binde kleine „Spezial“-Effekte sowie einen filmartigen Soundtrack ein. Das nenne ich dann Hörbuch-live-Lesung und hoffe damit meine Begeisterung auf das Publikum zu übertragen.
Doch auch wenn man sich auf einer Lesung noch so abrackert, der Text Gold und der Vortrag Platin ist, sollte man sich nicht einbilden, dass einem die Leute gleich die Hütte einrennen, nur weil man da ist. Anfangs kennt einen ja keiner. Ich bin auch nicht nur zum Lesen auf den Cons, sondern stehe da die ganze Zeit über in meinem schwarzen Standzelt und quatsche potenzielle Leserinnen und Leser an. So verkaufe ich nicht nur Bücher sondern befeuere auch die eigene Lesung. Das läuft jetzt seit drei Jahren so und langsam füllen sich auch die Lesungen. Diese Form von Selbstvermarktung braucht halt, wie auch das Schreiben, eine Menge Geduld und Durchhaltevermögen.
Allerdings sollte man schon eine Portion Rampensau in sich haben. Wenn man grundsätzlich keinen Bock aufs Lesen hat, sich aber trotzdem dazu zwingt, kommt das Publikum kein zweites Mal. Die merken so etwas sehr schnell. In dem Fall kann man sich Lesungen sparen, bis einen ein Verlag berühmt gemacht hat.

Ich hab gelesen, dass Dein „Prophet“ mehrmals abgelehnt wurde. Das passiert wohl den meisten Autoren. Dir ist in dem Zuge ja eine geniale Idee gekommen. Wie schafft man es, trotz Enttäuschung oder Wut dennoch weiterzumachen und nicht in Trübsal zu verfallen?
„Mehrmals“ bedeutet in dem Fall ganze drei Mal. Was eigentlich lächerlich ist. Es gibt weit berühmtere Autorinnen und Autoren, die öfter abgelehnt wurden. Wut und Enttäuschung hat mir eher die Informationsbeschaffung bereitet, wie man sich professionell an einen Verlag heranwagt, die im Anschluss gelaufen ist. Praktisch alles, was ich da lesen musste, trug die Message in sich: Lass es! Das schaffst du sowieso nicht. Deine Leseprobe wird unbeachtet in den Lektoraten vergammeln. Zum einen Teil ist das dem Überangebot an Manuskripten geschuldet.
Das hat meinen Zorn entfacht und der wurde dann zu meiner Hauptantriebskraft.
„Kann doch nicht sein, dass meine Geschichten an einigen Torwächtern in den Verlagen scheitern“, habe ich gedacht. „Ob das, was ich schreibe, jemand lesen will oder nicht, lasse ich doch lieber die Zielgruppe entscheiden.“
Zum Glück spielte mir die heutige Technologie in die Hände. Ich habe ein Prequel zum PROPHETen geplottet, den Prolog geschrieben und bin damit auf Lesetour gegangen. Die Con-Veranstalter in Deutschland zeigten sich meinen Ideen gegenüber sehr aufgeschlossen und ließen mich alle lesen. Dafür bin ich ihnen bis heute dankbar.
Den Besuchern meiner Lesungen habe ich folgendes Angebot gemacht: „Ihr habt jetzt den Prolog meiner Geschichte gehört. Gebt mir 25 Likes auf meiner für DIE SINISTRA eingerichteten Facebookpage, dann könnt ihr euch den Prolog im E-Book-Format kostenlos herunterladen und ich schreibe das nächste Kapitel.“ Für dieses wollte ich vor der Veröffentlichung natürlich weitere Likes haben. Das Ganze ging dann so lange, bis ich das Projekt mit über 750 Unterstützern abschließen konnte, zwei Buchverträge in der Tasche und ein schickes Netzwerk innerhalb der deutschen Phantastikszene hatte.
Diese Szene war auch dafür verantwortlich, dass ich mich keinem Trübsalblasen hingeben konnte. Die Rückmeldungen waren teilweise fulminant und haben mich durch die dunklen Stunden getragen.

Wie sieht Dein Schreiballtag aus?
Früher habe ich morgens nach dem Aufstehen die facebook-Nachrichten und E-Mails abgehandelt. Danach war dann soziales Netzwerken und Veranstaltungsorganisation dran und den Rest des Tages habe ich mit Manuskriptschreiben verbracht. Zwischendurch fiel sogar etwas Zeit für die ein oder andere Kurzgeschichte ab. Abends zwischen 17:00 Uhr und 18:00 Uhr war dann meistens Feierabend.
In diesem Jahr musste ich feststellen, dass ich mir neben meinem Roman etwas zu viel ans Bein gebunden habe, und versuche nun zu erledigen, was gerade brandaktuell ist, ohne irgendwas zu vergessen (was zu meiner Schande bisweilen vorkommt).
2016 werde ich sehr viel zurückhaltender und mit mehr Struktur an die Sache herangehen.

Zum Abschluss ein paar Quickies:
Sekt oder Bier? Eindeutig Bier.
Schokolade oder Gummibärchen? Nichts von beidem. Chips.
Meer oder Berge? Beides. Die Berge allerdings nur im Winter und mit Schnee.
Hund oder Katze? Katze
Captain America oder Iron Man? Wieder nichts von beidem. Batman.

Links:
Anno Salvatio

Vielen Dank, lieber Tom Daut für Deine Zeit und die tollen Antworten. Wenn ihr Tom - oder mich - live erleben möchtet, könnt ihr das am 29. und 30. August 2015 auf der FaRK, dem Fantasy und Rollenspiel Konvent in Reden/Saarland. Dort werde ich mir auch direkt das Buch zulegen, weil es einfach einzigartig klingt und allein schon Toms Antworten auf einen großen Lesegenuß hoffen lassen.

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