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Überarbeitungsfibel Teil 6: Vorgriffe - Der Tod der Spannung

In meiner neuen Blogreihe "Die Überarbeitungsfibel: Überarbeiten Schritt für Schritt erklärt" habe ich Dir in bisher 5 Schritten erzählt, worauf es beim Überarbeiten Deines fertigen Textes ankommt, welche Fehler Du wie finden und vermeiden kannst, und was ich immer wieder in Lektoraten finde.

Warum überarbeiten so wichtig ist und Du Dir die Mühe unbedingt machen solltest, erfährst Du hier: 4 Gründe für das gründliche Überarbeiten

Heute kommen wir zum Ende meiner kleinen Reihe: dem Vorgriff - und zum Gewinnspiel!
Gewinne eine exklusive Überarbeitung Deines Rohtextes. Dazu unten mehr.

Heute: Vorgriffe
Der Tod der Spannung


"Und dann passierte es!", "Dann ging alles ganz schnell.", "Doch dazu kam es nicht." sind Sätze, die ich immer wieder lese und die mir jedes Mal sauer aufstoßen. Es sind sogenannte Vorgriffe. Sie nehmen vorweg, was als nächstes kommt. In diesen Beispielen sollen sie die Spannung schüren, vielleicht sogar auf ihren Höhepunkt treiben. Tun sie nicht. 
Solche Sätze geben einem das Gefühl, eine Geschichte zu lesen, deren Ende man bereits kennt. Wenn ich schon weiß, dass es dazu nicht mehr kommt, brauche ich den nächsten Abschnitt eigentlich nicht mehr lesen.
Dass gleich etwas passiert, ergibt sich zudem, immerhin wird eine Geschichte erzählt. Die sollte am besten chronologisch erzählt werden. Ohne Vorgriffe und nach Möglichkeit sogar ohne Rückblicke.
Vorgriffe finden sich ebenfalls häufig in Dialogen. Der Erzähler und sein bester Freund unterhalten sich. Dann sagt sein bester Freund flüsternd: "Ich verrate dir ein Geheimnis."
Dass der Freund etwas sagen wird, kann der Erzähler vielleicht noch an seiner Mimik erkennen, doch dass er flüstern wird, weiß er definitiv vorher nicht. Klarer Fall von Vorgriff (sogar in Verbindung mit einer Gleichzeitigkeit).
Oder: Sie versuchte, ihn mit ihren Worten zu beruhigen. "Das ist doch nicht so schlimm."
Aus der Situation heraus kann man sich vielleicht denken, dass sie ihn beruhigen will, aber welche Worte sie sprechen wird und ob sie wirklich beruhigend gemeint sind, erfährt der Erzähler erst, sobald sie angefangen hat zu sprechen.


TO-DO-Liste Punkt 6:
Geh Deinen Text auf Vorgriffe durch und überprüfe auch gleich Deine Spannungsbögen. Hast Du irgendwo Spannung oder Ereignisse vorweg genommen? Dann raus damit.

Alle anderen Punkte meiner Überarbeitungsfibel: 
Gleichzeitigkeiten
Füllwörter
Passivformulierungen
Wortwiederholungen
Wertende Adjektive

Ebenfalls achten solltest Du auf Perspektivwechsel, auch versteckte. Siehe dazu meinen Blogbeitrag: Erzählperspektive: Wer spricht da eigentlich?

Außerdem solltest Du zu lange Sätze und vor allem Schachtelsätze vermeiden und bei Fremdwörtern darauf achten, dass sie auch wirklich das ausdrücken, was Du gemeint hast. Wenn Du nicht auf Schachtelsätze verzichten willst, merke Dir bitte, dass sie deshalb eine "Schachtel" sind, weil sie vorn und hinten von einem Komma eingefasst sind. Fehlt das (was leider allzu oft der Fall ist), versteht der Leser den Satz nur schwer oder gar nicht.

Es gibt natürlich noch etliche Punkte mehr, die beachtet werden müssen - deshalb ist ein Lektorat so oder so unabdingbar! -, aber die in meiner Überarbeitungsfibel vorgestellten sind die Dinge, die Autoren problemlos selbst aufspüren und eliminieren und vor allem zukünftig umgehen können.

Wenn Du all diese Dinge in Deinen Überarbeitungsdurchgängen berücksichtigst, wirst Du selbst sehr viel zufriedener mit Deinem Text sein. Er wird besser. Du wirst besser!

Wenn Dir meine Blogreihe gefallen hat, empfehle sie gern weiter. Ich freue mich über jeden neuen Leser - und Autor.

Wenn Du auf der Suche nach einer Lektorin oder Korrektorin für Deinen Text bist, dann kann ich Dir auch da weiterhelfen. Schau mal unter Lektorat, was mein Service umfasst.

Viel Glück und vielen Dank
Deine Sandra

Weiterführende Links und Literatur:
Der 40 Punkte Plan zur Überarbeitung
http://www.andreaseschbach.de/schreiben/10punkte/10punkte.html
https://www.petra-schier.de/2014/06/24/kein-gutes-buch-ohne-lektorat/

Kommentare

  1. Hallo Sandra,
    ich kann dein Beispiel mit dem flüsternden Freund nicht ganz nachvollziehen. Kannst du nochmal erläutern, warum genau das ein Vorgriff ist? Wenn der Freund flüstert, dann hör ich das ja in dem Moment.
    Liebe Grüße
    Daniela

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hallo liebe Daniela,
      ja klar. Hören tust Du es natürlich, sobald er angefangen hat zu sprechen. Aber Du (bzw. der Erzähler) weiß ja vorher nicht, ob der Freund flüstern, schreien oder stottern wird, wenn er noch nicht angefangen hat zu sprechen. Wir erzählen Geschichten ja chronologisch, eine Aktion nach der anderen. In dem Fall hieße das, der Freund muss anfangen zu sprechen, damit der Erzähler berichten kann, dass er es flüsternd tut.
      Vielleicht wird es so klarer?
      Viele Grüße
      Sandra

      Löschen
  2. Hallo Sandra,
    schreiben ist schon einfach und macht wohl Spaß, aber so richtig viel gelesen werden ist schwer, macht aber auch bestimmt auch viel mehr Spaß.

    Vor mehr als drei Jahren habe ich angefangen zunächst kürzest Geschichten zu schreiben. Nach einem halben Jahr hatte ich sechzig zusammen. Ein eBook bei Amazon habe ich daraus gemacht. Einen Kommentar gab es.

    Im Juni gab es den ersten Umsatz. 1,80€! Was habe ich mich gefreut.

    Mein Kurzgeschichtenblog und der Romanentwurf weiß noch nicht so richtig, ob er ausgearbeitet werden soll. Ist ja immerhin eine richtige Investition, wenn es etwas werden soll.

    Grüße Thomas

    AntwortenLöschen
  3. Huhu Sandra,

    ich finde deine kleine Überarbeitungsfiebel sehr anschaulich und hilfreich. :) Werde, sobald ich in meinem Buch inhaltlich endlich zufrieden bin, auch all diese "Kleinigkeiten" noch bearbeiten. Meine Füllwörter - ja, die habe ich früher sehr geliebt :'D - lasse ich mittlerweile aber zum Glück meistens weg.

    Bei deinen zwei Beispielen hier zum Vorgriff in Dialogen musste ich auch erst überlegen, wie das gemeint ist. Vermutlich mache ich das dann ab und an falsch. :D

    Ich würde die kleine Überarbeitung gerne gewinnen, um mal eine richtige Expertenmeinung zu hören. Bisher sind meine Probeleser zwei Freunde, die zwar kritisch sind, aber das auch nicht regelmäßig machen. Wäre einfach mal interessant, wie mein Geschreibsel auf jemanden wirkt, der schon Erfahrung im Überarbeiten hat. :) Und was ich noch besser machen könnte.

    LG Alica

    AntwortenLöschen
  4. Liebe Sandra,
    ich lese deine Beiträge oft mehrmals und entdecke dabei immer wieder etwas Neues, nur um mir danach meine geschriebenen Worte mit einem kleinen bisschen „Sandra“- Blick zu lesen. Ich fände es spannend, deine Gedanken aus dem kompletten Sandra Blick zu lesen.
    Deshalb lese ich heute nicht nur, wie sonst oft, sondern schreibe auch noch einen Kommentar, wie sonst nie.

    Vielen lieben Dank für deine Arbeit

    Sarah

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Das ist ja lieb. Ich freu mich riesig zu hören, dass meine kleinen Tipps gefallen und sie so tiefen Eindruck hinterlassen.
      Ganz herzlichen Dank für diesen lieben Kommentar, liebe Sarah.

      Deine Sandra

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